Montag, 20. April 2009

Online-Politik-Experte analysiert die Möglichkeiten und Gefahren des Internets

"Obama-Videos über 1,5 Milliarden Mal geklickt"
Interview mit Micah Sifry

Online-Politik-Experte Micah Sifry blickt auf den
US-Wahlkampf zurück, analysiert die Möglichkeiten und
Gefahren des Internets und erklärt das "unfreiwillige
Facebook der Mächtigen".

Wie haben die Internet-Kampagnen bereits das politische
System verändert? Lassen Sie uns zum Beispiel über die
Vereinigten Staaten sprechen.
Die Vereinigten Staaten sind ein fortschrittliches
Beispiel dafür, wie das Internet sowie die damit
verbundenen Technologien zur Mitwirkung und Kommunikation
die Politik transformiert haben. Seit sechs Jahren leite
ich das "Personal Democracy Forum" und wir veranstalten
jährliche Konferenzen darüber, inwiefern neue Technologien
die Politik verändern. Die US-Wahl im vergangenen Herbst
war die erste, in der das Internet eine treibende Kraft
war, weil es die Barrieren zur Beteiligung und zur
Zusammenarbeit verringert hat. Das ist der Anfang der
Massenbeteiligung, der großen individuellen Beteiligung.
Eine Vielzahl von Individuen und ganze Netzwerke von
Individuen werden in alle Aspekte des politischen
Prozesses involviert. Wir werden sehen, wie sich die
Regierung dadurch verändern wird. Bis zum Herbst 2008 sind
Millionen von Menschen jeden Tag aufgewacht und haben sich
fragt: "Was werde ich heute machen, um etwas in der Wahl
zu bewirken?". Menschen haben ihre eigenen Videos für
andere zugänglich gemacht. Videos auf YouTube, die Obama
oder McCain erwähnen, wurden über 1,5 Milliarden Mal
angeschaut. Die Anzahl der Klicks der offiziellen
Wahlkampfvideos betrug dagegen nur 150 Millionen. Somit
hat der von Wählern generierte Inhalt den offiziellen, im
Wahlkampf bereitgestellten Inhalt 10:1 übertroffen.

Wird der Wahlkampf der Zukunft nur noch im Internet
stattfinden?
Im Zeitalter der übersättigten Medien ist es vor allem
immer noch eine Art der Medien, die am erfolgreichsten
ist: Mundpropaganda. Wir trauen den Informationen, die wir
von einem Freund erfahren und schenken diesen
Aufmerksamkeit. "Hey, schau dir mal das an. Das ist
lustig, das ist interessant." Das ist eine sehr mächtige
Kraft, die von niemandem kontrolliert wird. Die Idee, dass
der Wahlkampf nur in den Händen der Profis liegt – den
Beratern, dem Mitarbeiterstab, den Journalisten der großen
Medien – löst sich allmählich auf. In den USA entwickelt
sich zumindest am Rande ein Medien-System, das etwas
verantwortungsbewusster ist und eine Lüge als solche
benennt, anstatt davor zurückzuschrecken, dieses Wort zu
benutzen. Viele Journalisten in Amerika bloggen jetzt,
weil ihre Zeitungen entschieden haben, dass sie anfangen
sollten, sich anzupassen. Folglich hören sie auf eine
andere Weise von ihren Lesern und treten in Konkurrenz mit
diesen neuen Medien-Bloggern, von denen viele recht
einflussreich sind. Das Resultat ist eine Verschiebung in
Richtung einer etwas ehrlicheren Stimme und etwas weniger
Unterwürfigkeit gegenüber den Mächtigen. Ich möchte das
nicht zu sehr hochspielen. Wir haben nicht plötzlich ein
Nirwana. Es ist eine geringfügige Verbesserung. Weg von
einem System, das für die Mächtigen sehr leicht zu
beherrschen ist.

Das hört sich an wie eine perfekte Welt, in der es keine
Manipulation mehr gibt. Wie würden Sie das beschreiben?
Wie groß wären die Chancen eines Politikers, dieses System
zu manipulieren?
Ich denke, Authentizität hat einen großen Wert. Und es
gibt ein altes Sprichwort, das – denke ich – von W. C.
Fields stammt: "Wenn du Authentizität vortäuschen kannst,
hast du es geschafft." Aber das ist immer schwieriger. Das
Internet ist der erste Organismus überhaupt, der sich an
Dinge vor seiner Geburt erinnern kann. Hilary Clinton
wurde das zum Verhängnis, als sie sagte: "Ich erinnere
mich daran, wie wir in Bosnien einflogen und auf uns
geschossen wurde und wir Angriffen durch Heckenschützen
ausgesetzt waren." Die Leute haben tatsächlich die
TV-Clips von damals gefunden. Die sind etwa zehn Jahre
alt. Sie haben sie ausgegraben, auf YouTube gestellt und
man konnte wirklich Seite an Seite vergleichen. Das war
extrem schädlich für ihre Glaubwürdigkeit im Verlauf des
Wahlkampfes. Vergleichen Sie das mit der Reaktion von
Obama auf die schärfste Attacke auf seine Person. Das war,
als die Videos von Reverend Wright auftauchten – "Gott
verfluche Amerika". Obama hat Wright zuerst verurteilt und
dann den Worten Wrights Aufmerksamkeit geschenkt. Er ging
sogar noch weiter und hielt eine sehr lange und wohl
überlegte Rede.

Was leiten Sie daraus ab?
Folgendes ist daran interessant: Im alten Medien-System
wäre eine lange Rede wie diese in sogenannte "sound
bites", Tonhäppchen, umgewandelt worden. Fernsehen ist ein
Bereich von knapper Bandbreite, man bekommt 15, mal 10
Sekunden. Präsidentschaftskandidaten in den 1960er Jahren
bekamen 45 Sekunden lange "sound bites" zugestanden. Jetzt
haben sie Glück, wenn sie 10 Sekunden bekommen. Obama hält
jedoch diese 37 Minuten lange Rede über Rassenkonflikte in
Amerika und seine eigenen Erfahrungen. Die Rede bekommt
gute Kritiken und gute Mundpropaganda. Die Leute stellen
die Rede online. Sie fangen an, auf Obamas YouTube-Kanal
zu gehen, um sich die gesamte Rede anzuschauen. Wenn man
nun zu Obamas YouTube-Kanal geht, stellt man fest, dass
der am häufigsten angeschaute Clip diese Rede ist. Sie
wurde etwa sechs Millionen Mal angeschaut. Eine halbe
Stunde Fernsehsendezeit zu kaufen, um 6 Millionen Menschen
dazu zu bringen zuzuschauen, hätte ihn mehrere Millionen
Dollar gekostet. Und der Unterschied im Fernsehen ist: Es
ist in gewisser Weise erzwungen. Beim Fernsehen lehnt man
sich zurück. Entscheidet man sich jedoch dazu, etwas im
Internet anzuschauen, setzt man sich damit intensiver
auseinander. Man beugt sich nach vorne.

Was sind die Auswirkungen?
Wir haben ein neues Phänomen, das ich als „sound blast"
bezeichne. Das ist der lange, komplette Inhalt, der die
Aufmerksamkeit der Menschen tatsächlich auf sich ziehen
kann. Ich denke, Obama ist der erste Politiker, der das
verstanden und zu seinem Vorteil genutzt hat. Er ist die
richtige Person zur richtigen Zeit. Er ist aufmerksam,
redegewandt und er spricht nicht in einfachen Klischees.
Und dafür bekommt er Anerkennung. Wir werden ständig
gesättigt mit gekünstelten Reden. Diese Reden sind nur
dazu da, um uns etwas zu verkaufen. Aber wir haben einen
ziemlich guten Riecher dafür, Unsinn zu bemerken. Wir
wissen, wenn etwas mit uns gemacht wird und wann nicht.
Das Internet legt besonderen Wert darauf, in einem
"menschlichen" Tonfall zu kommunizieren und das wird jenen
Politikern helfen, die das können. Wer das über einen
längeren Zeitraum schafft und somit glaubwürdig wird, hat
einen Vorteil gegenüber jenen, deren Verhalten aufgesetzt
und gekünstelt ist.

Muss man in einem demokratischen Land gelebt haben, um
diese neuen Werkzeuge des Internets nutzen zu können oder
muss man den Mechanismus verstehen können, von dem Sie
sprechen?
Gedankenfreiheit ist etwas, was wir alle haben. Die
entscheidende Frage ist, ob wir die Möglichkeit dazu
haben, diese auszuüben. Das ist nicht überall gleich.
Einige Menschen haben diese Freiheit und andere nicht.
Aber das ist oftmals etwas, das man zu Hause lernen kann.
Man kann innerhalb einer undemokratischen Gesellschaft in
einem demokratischen Zuhause leben. Man kann aber auch in
einer demokratischen Gesellschaft leben und trotzdem nicht
frei denken. Es gibt zwei Arten von Auswirkungen, die das
Internet auf Gesellschaften in politischer Hinsicht zu
haben scheint. Die "optimale" Ausgangssituation scheint
besonders in Fällen von geschlossenen Gesellschaften
vorzuliegen, in denen die Medien streng kontrolliert
werden. Die Menschen suchen, sie sind hungrig. Es scheint
ein allgemeiner Hunger zu sein, wenn man erst einmal eine
Kostprobe der Gedankenfreiheit genommen hat. In Kuba, wo
die Medien immer noch streng kontrolliert werden,
schreiben die Leute Blog Posts in einem Internet-Café, um
diese dann auf ihr Mobiltelefon herunterzuladen. Und dann
wird die Speicherkarte von Handy zu Handy gereicht, sodass
die Leute gegenseitig ihre Beiträge lesen können. Das ist
eine Mischform. Es ist also offensichtlich nicht so viral
und schnell wie in einer freien Gesellschaft. Aber sie
bekommen einen Vorgeschmack. Es sind jetzt YouTube-Videos
von Dissidenten in Kuba aufgetaucht, in denen die
Partei-Führer in Frage gestellt werden. Und so etwas wird
sich fortsetzen. Eine geschlossene Gesellschaft, in der es
Hunger auf etwas anderes als "abgepackte", kontrollierte
Informationen gibt, scheint der ideale Ausgangspunkt zu
sein. Die Leute werden alle ihnen zugänglichen technischen
Werkzeuge benutzen, wie zum Beispiel Kopierer in
Osteuropa.

Und wie ist es in offenen und demokratischen
Gesellschaften?
In der offenen Gesellschaft, wo wir gesättigt, sogar
übersättigt sind mit Medien, ist es etwas komplizierter.
Es ist nicht zwangsweise eine Situation, in der die
Einführung des Internets irgendetwas verändern wird. In
Amerika war das Netz ein wichtiger Faktor des
Wiederauflebens des demokratischen Flügels, denn es gab
eine Menge Leute, die sich von ihrer Partei-Spitze
betrogen fühlten. Es gab eine Menge Basis-Aktivisten, die
die Demokratische Partei scheitern sahen, als Al Gore 2000
die Wahl entrissen wurde. Oder nach dem 11. September, als
es diesen Drang gab, in den Krieg zu ziehen. Oder nach dem
die demokratische Führung im Kongress über sich selbst
stolperte und Bush damit in die Karten spielte. Es gab
eine Menge Aktivisten, die sich im Stich gelassen fühlten
und erkannten, dass sie ihre eigenen neuen Institutionen
erschaffen müssten. Es war gerade in diesem Moment, als
das ReadWriteWeb entstand und die Blogosphäre Gestalt
annahm. Also haben die Vertreter des linken Flügels an den
neuen Werkzeugen festgehalten, während der rechte Flügel
bereits an der Macht war und schon sein eigenes
Medien-System hatte, welches bis hin zu den FOX News und
der Washington Times reichte. Der rechte Flügel brauchte
keine neuen "Muskeln" und keine neuen Institutionen zu
entwickeln. Sie hatten es dort, wo sie waren, ziemlich
gemütlich. Folglich hatte man also den Aufstieg der
Internetaktivisten auf der linken und die
Selbstzufriedenheit auf der rechten Seite. Howard Dean war
gewissermaßen der erste Beweis dafür, dass diese Art von
Basis-Aktivismus einen Kandidaten vorantreiben konnte, wie
es niemand für möglich gehalten hatte. Obama hat dieses
Prinzip auf eine äußerst systematische und gut
organisierte Weise umgesetzt.

Wäre das auch in Deutschland möglich?
Ich weiß nicht, ob diese Analogie auch auf ein Land wie
Deutschland übertragbar ist, wo es ein
Fünf-Parteien-System gibt. Minderheitenparteien können die
Schwelle leichter überschreiten. Es macht also durchaus
Sinn, in einer kleinen Partei aktiv zu sein. In den
Vereinigten Staaten gibt es sogenannte "dritte Parteien".
Ich habe ein ganzes Buch über diese "dritte Parteien"
geschrieben. Jedoch gibt es in Amerika im Allgemeinen
keinen Grund, sich in einer dieser kleinen Parteien zu
engagieren, da diese in die Rolle des Störenfrieds
gedrängt werden. Man muss also wirklich begeistert,
leidenschaftlich und ideologisch sehr verwurzelt sein, um
ein Anhänger der Grünen oder Liberalen zu sein, während
man hier in Deutschland pragmatische Kompromisse machen
kann und aufgrund des Mehrparteiensystems ein Stück
Repräsentation bekommt. In Deutschland scheint man auch
ein breit gefächertes Spektrum an Zeitungen und
Medienhäusern zu haben. Sicherlich weitreichender als es
bis vor kurzem noch in den USA der Fall war. Ich würde
sagen, dass es jetzt dank der Blogosphäre – und ich könnte
Ihnen das auf einer Karte zeigen – die dominierenden
Nachrichtenquellen wie CNN oder die New York Times in der
Mitte gibt. Und um die herum gibt es die vorherrschenden,
aber eher ideologisch geprägten Online-Zentren, wie Daily
Kos oder Huffington Post. Auf der Rechten Seite hat man
eher so etwas wie townhall.com oder redstate.com. Diese
sind viel parteiischer, aber was den Datenverkehr und
Einfluss angeht, von gleicher Bedeutung wie die großen
Zeitungen. Wir haben also ein offeneres Spektrum an
Meinungen entwickelt, denn unser Medien-Spektrum war
vorher sehr dicht und politisch gemäßigt. Was ich mich
frage – und ich kenne nicht die Antwort darauf – ist, ob
Sie in Deutschland schon eine relativ breit gefächerte
Repräsentation von Meinungen auf den Webseiten der
deutschen Zeitungen haben. Dann ist es schwerer für ein
neues Medium, wie einen Blog, Aufmerksamkeit zu bekommen,
da die Leserschaft schon bedient wird.

Richtig, in Deutschland sind wir an "Zeitungs-Marken"
gewöhnt. Die erfolgreichsten Online-Projekte waren
Zeitungen, die online gegangen sind, da diese die
Markennamen und die Glaubwürdigkeit besaßen. Daher gibt es
keine richtige Blogosphäre in unserem Land. Weil wir ein
föderalistischer Staat sind, hatten wir so viele
unterschiedliche Zeitungen. Diese sind gewachsen, als
jeder winzige Staat noch seine eigene Zeitung hatte. Und
das hat sich bis heute erhalten. Aber durch die
Veränderungen in der Medienbranche sind viele Zeitungen
bankrott gegangen und mussten deshalb Journalisten
entlassen. Dann fangen die Journalisten an zu bloggen.
Daher denke ich, dass wir in den nächsten fünf Jahren dem
amerikanischen Beispiel folgen werden.
Das Internet scheint – was Medien und politische
Gemeinschaften angeht – Vakuen ausfindig zu machen und
diese auszufüllen. Was fehlt im politischen Dialog? Welche
bedeutungsvollen Themen sind im Internet noch nicht
vertreten?

Lassen Sie uns über Glaubwürdigkeit sprechen. Als Blogger
ist man selbst eine Marke. Aber einem stehen nicht die
Werkzeuge zu Verfügung, die eine Zeitung hat. Wenn fünf
Journalisten für einen Fall recherchieren, entsteht ein
Artikel, der auf tiefgründigen Nachforschungen basiert.
Für einen Blogger ist es schwierig all das zu übernehmen,
wofür zuvor eine ganze Abteilung zuständig war.
Viele der in den Vereinigten Staaten so erfolgreichen
Blogs werden nicht länger nur von einzelnen Bloggern
betrieben. Es sind vielmehr Teams, Gruppen, Kollektive,
ganze Gemeinschaften. Der Gründer von „Daily Kos", Markos
Moulitsas, schreibt vielleicht 2000 Wörter am Tag auf
seiner Seite. Er hat ein Team von stellvertretenden
Bloggern, Redakteure, die 20.000-30.000 Wörter am Tag
schreiben. Und dann gibt es noch tausende von Menschen,
die ihre eigenen Tagebücher auf der Seite schreiben. Und
wenn die gut sind, werden sie manchmal auch auf die
Startseite übernommen. Das ähnelt also einer kleinen
Stadt. Josh Marshall mit seiner Organisation "Talking
Points Memo" ist wirklich das beste Beispiel dafür, wie
Online-Medien sich der Masse als Informationsquelle
bedienen und sogenanntes "crowdsourcing" betreiben können.
Du hast also eine Vorahnung, dass etwas im Land geschieht
und musst das überall verbreiten. Oftmals fragt er seine
Leser um Hilfe. Als Alberto Gonzales die politischen
Entlassungen vieler US-Anwälte in verschiedenen
Abteilungen des Justizministeriums im ganzen Land
überwachte, war Marshall der Meinung, dass es dabei ein
Muster gab. Er war sich jedoch nicht sicher. Eine Zeitung
berichtete nur über einen Fall in ihrer Stadt, eine andere
über einen weiteren. Doch keine Zeitung hatte die
Einzelpunkte miteinander verbunden.

Was geschah dann?
Gonzales beauftragte seine Leser: "Wenn ihr etwas
Komisches bemerkt, schickt mir Informationen, Tipps und
Clips." Und tatsächlich gab es ein Muster. Also können
bestimmte Formen des investigativen Journalismus' auf
"crowdsourcing" basieren. Andere Formen erfordern eine
erfahrene Einheit von Journalisten, die im Hintergrund
arbeiten und nicht in der Öffentlichkeit. Ich sage nicht,
dass wir das Problem gelöst haben. Das ist ein
ernstzunehmendes Thema in den Vereinigten Staaten, da
Zeitungen und andere "alte" Medien zurückgehen. Wie werden
wir für ernsten, investigativen Journalismus bezahlen? Für
die Organisation "Sunlight Foundation" bin ich als
strategischer Berater tätig. Wir haben es uns zur Aufgabe
gemacht, jedem den Zugang zu den offiziellen Rohdaten zu
ermöglichen. Damit jeder weiß, wer sich für wen einsetzt
und wer für wessen Kampagne spendet. All das sind
öffentliche Daten, aber viele von ihnen werden der
Öffentlichkeit nur in sehr unpraktischer Form zugänglich
gemacht. Im heutigen Zeitalter ist es nicht mehr
hinnehmbar, dass Leute zu einem Büro gehen müssen, um
Papierakten einzusehen. Alles muss online sein. Es muss
alles in strukturierter Form geben. Im Idealfall sollte es
Programmierschnittstellen geben, die es ermöglichen, dass
Computer miteinander kommunizieren und mit großen Brocken
von Informationen arbeiten können. Die "Sunlight
Foundation" fördert und finanziert die Gründung von
Webseiten, um die Digitalisierung aller wesentlichen
politischen Daten, die darüber Auskunft geben, was auf
nationaler Ebene passiert, zu ermöglichen. Und um das
Wachsen solcher Webseiten zu beobachten, die jene Daten
kombinieren, Muster finden, Widersprüche und Abweichungen
bemerken. Damit es den Leuten, die etwas recherchieren
oder aufdecken möchten, ermöglicht wird, diese
Verbindungen zu finden.

Wie muss man sich das vorstellen?
Eine unserer Seiten, die erst kürzlich online gestartet
ist, heißt in Anspielung auf Big Brother "Little Sis". Das
ist eine Art unfreiwilliges Facebook für die Mächtigen. Es
wurden alle Information über die Vorstände und CEOs von
tausend Spitzenunternehmen und Websites besorgt und diese
dann mit den Daten über die Wahlkampfspenden und mit den
Daten über die sozialen Beziehungen kombiniert. Und dann
wurde noch ein Element eingefügt, das jedem ermöglicht,
mehr Informationen hinzuzufügen. Ob das Partnerschaften
oder Tennis-Freundschaften sind, man kann es ergänzen. Es
gibt außerdem noch die verborgenen Verbindungen unter den
Mächtigen. Auch diese lassen sich hinzufügen. Die
Redakteure der Seite werden diese Informationen dann
nachprüfen und angeben, ob sie verifiziert wurden oder
nicht. Es ist also eine Art modifiziertes Wiki.

Und welches Ziel hat diese Arbeit? Wer soll davon
profitieren?
Ziel dessen ist es, jedem, der diese Art von Recherche
verwendet, einen gemeinsamen Ort zu geben, um die
existierenden Daten zu teilen und die Angaben
stichhaltiger zu machen, indem man die besagten
Verbindungen sichtbar macht.
Das Endziel ist dann hoffentlich, dass wir unseren
gewählten Politikern, den Leuten, die die großen
Unternehmen führen, all denen, die offensichtlich immer
noch ziemlich mächtig, aber oftmals niemandem Rechenschaft
schuldig sind, bessere Fragen stellen können.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Alexander Görlach.





(Quelle: cicero.de)