Montag, 20. April 2009

2008 wurden in Deutschland insgesamt 31.801 politisch motivierte Straftaten gemeldet.

Dies bedeutet bundesweit einen Anstieg gegenüber dem Jahr 2007 (28.538) um
rd. 11,4 %; bezogen auf
die politisch motivierten Gewalttaten ist mit insgesamt 2.529 Delikten im
Vergleich zum Vorjahr
(2.541) ein geringfügiger Rückgang um rd. 0,5 % zu verzeichnen. Damit ist
seit Einführung des
Definitionssystems der politisch motivierten Kriminalität (PMK) im Jahr
2001 bei der Gesamtzahl der
politisch motivierten Straftaten der bislang höchste Wert und bei den
politisch motivierten
Gewalttaten der zweithöchste Wert erreicht worden. Erstmals seit 2004 sind
wieder Todesopfer zu
verzeichnen; in beiden Fällen wurden die zugrunde liegenden Straftaten dem
Phänomenbereich
politisch motivierte Kriminalität ? rechts zugeordnet.
Hierzu erklärt der Bundesminister des Innern Dr. Wolfgang Schäuble:
"Die für das Jahr 2008 gemeldeten Zahlen im Bereich der politisch
motivierten Kriminalität sind
beunruhigend: Bei den sich seit einigen Jahren ohnehin auf viel zu hohem
Niveau bewegenden
Fallzahlen ist mit einem Anstieg um rd. 11,4 % ein erheblicher Zuwachs zu
verzeichnen. Zwei
Menschen haben infolge politisch motivierter Gewalt in Deutschland ihr
Leben verloren. Die Zahl der
unmittelbar auf Personen zielenden Gewalttaten, wie sie in
Körperverletzungs- sowie Tötungsdelikten
ihren Ausdruck finden, ist insgesamt um rd. 3,7 % gestiegen.
Dabei geben die Entwicklungen in allen Phänomenbereichen Anlass zur Sorge.
Dies veranschaulicht
insbesondere der in sämtlichen der vier Bereiche zu beobachtende
sprunghafte Anstieg der Zahl der
Sachbeschädigungen, die insgesamt um 44,8 % gestiegen ist. Viele dieser
Sachbeschädigungen haben
offensichtlich im Zusammenhang mit Landtags- und Kommunalwahlen gestanden
und sich in der
Zerstörung, der Beschädigung oder dem Beschmieren mit
verfassungsfeindlichen Symbolen von
Wahlplakaten widergespiegelt. Damit zeugen sie auch von fehlendem
Verständnis für die Spielregeln,
die in einer demokratischen Gesellschaftsordnung im Umgang mit anderen
politischen Meinungen
gelten.
In absoluten Zahlen ist der stärkste Anstieg im Bereich der politisch
motivierten Kriminalität ?
rechts zu verzeichnen. Dazu beigetragen hat zweifellos die zum 1. Januar
2008 eingeführte
bundeseinheitliche Erfassung auch der von Unbekannt verübten so genannten
Propagandadelikte, die
nunmehr grundsätzlich immer bei diesem Phänomenbereich erfolgt. Unabhängig
davon ist generell die
Zahl der Propagandadelikte im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, so dass sie
mittlerweile rd. 69,9 %
aller rechten Straftaten ausmachen. Diese Zahl beweist aber auch die
Konsequenz, mit der die
Sicherheitsbehörden ihrem Ermittlungsauftrag auch in diesem
Kriminalitätsfeld nachkommen.
Ein weiterer Teil des Anstiegs der rechten Kriminalität geht auf das Konto
der sogenannten
"Autonomen Nationalisten". In ihrem Auftreten bei Demonstrationen, in ihrer
Sprache und Kleidung
lehnen sie sich linksextremistischen Verhaltensweisen an. Dadurch üben sie
gerade auf Jugendliche
eine stärkere Anziehungskraft aus, als es die konventionelle rechte Szene
bislang vermochte. Die
Autonomen Nationalisten stehen daher zu recht seit dem letzten Jahr
verstärkt im Fokus der
Sicherheitsbehörden.
Auffallend sind auch die Zuwächse im Bereich der politisch motivierten
Kriminalität ? links:
Obgleich es im Jahr 2008 für die linke gewaltbereite Szene kein dem
G8-Gipfel in Heiligendamm
(2007) vergleichbares politisch herausragendes Ereignis gab, sind hier
erneut die Fallzahlen
angestiegen. Verantwortlich dafür sind vor allem Sachbeschädigungen im
Zusammenhang mit
Landtagswahlkämpfen sowie ein anhaltend hohes Deliktsaufkommen im Rahmen
von Aktivitäten gegen das
rechte Spektrum.
Wie sehr solche gewalttätigen Proteste auch geeignet sind, letztlich
bürgerlichen Widerstand gegen
Rechtsextreme zu beeinträchtigen, haben die Vorfälle um den
"Anti-Islamisierungskongress" im
vergangenen September in Köln gezeigt. Eindrucks- und phantasievoll hatten
die Kölnerinnen und
Kölner der Veranstaltung der rechtspopulistischen "Initiative Pro Köln" auf
vielfältige Weise ein
Signal des Miteinanders mit Muslimen in ihrer Stadt entgegengesetzt.
Allerdings wäre die
Strahlkraft dieses Signals noch größer gewesen, wenn nicht einige linke
Autonome die Durchführung
des nach den Umgangsformen in unserer rechtsstaatlichen Demokratie zu
genehmigenden und
dementsprechend auch von der Polizei zu schützenden
?Anti-Islamisierungskongress? mit gewalttätigen
Aktionen verhindert hätten. Die Kölner Bürgerinnen und Bürger hätten dieser
fragwürdigen
gewalttätigen Unterstützung durch Linksextremisten nicht bedurft, die
Rechtsextremisten zudem die
Möglichkeit gab, sich als Märtyrer zu sehen.
Die politisch motivierte Kriminalität scheint mehr und mehr von einer
gewaltorientierten
Verfechtung der eigenen ideologischen Standpunkte geprägt zu sein. Einer
solchen Abwendung von der
demokratischen Streitkultur wird die Bundesregierung entschieden
entgegentreten. Wir wollen daher
die vielfältigen Maßnahmen gegen Extremismus, Fremdenfeindlichkeit und
Intoleranz fortführen.
Ich appelliere an alle, hierbei unterstützend mitzuwirken und sich der
gemeinsamen Sorge für unsere
demokratischen Traditionen und Werte bewusst zu sein."

Die Zahlen im Einzelnen:
Die Entwicklung des Straftatenaufkommens im Jahr 2008 stellt sich für die
Phänomenbereiche der
politisch motivierten Kriminalität ? rechts (PMK-rechts),  der politisch
motivierten Kriminalität ?
links (PMK-links), der politisch motivierten Ausländerkriminalität  (PMAK)
und der politisch
motivierten Kriminalität ? sonstige (PMK-sonstige) jeweils wie folgt dar:

PMK-rechts
20.422
(Vorjahr: 17.607)
rd. + 16,0 %
PMK-links
6.724
(Vorjahr: 5.866)
rd. + 14,6 %
PMAK
1.484
(Vorjahr: 902)
rd. + 64,5 %
PMK-sonstige
3.171
(Vorjahr: 4.163)
rd. - 23,8 %
Der Rückgang der Fallzahlen im Bereich der PMK-sonstige ist allein auf die
veränderte Erfassung der
von Unbekannt begangenen Propagandadelikte mit rechtem Inhalt
zurückzuführen. Lässt man jeweils die
Propagandadelikte (2008: 1.605; 2007: 3.114) unberücksichtigt, ist im
Bereich der PMK-sonstige
sogar ein Anstieg von rd. 49,3 % gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen.
Sowohl im Bereich der PMK-rechts wie auch im Bereich der PMK-links wurden
jeweils die bislang
höchsten Fallzahlen seit Einführung des neuen Definitionssystems im Jahr
2001 erreicht, wie auch
das nachfolgende Schaubild zu der Entwicklung der politisch motivierten
Kriminalität insgesamt
sowie der einzelnen Phänomenbereiche über die vergangenen Jahre
verdeutlicht:


Bezogen auf die politisch motivierten Gewalttaten haben sich gegenüber dem
Jahr 2007 die Fallzahlen
in den einzelnen Phänomenbereichen wie folgt verändert:

PMK-rechts
1.113
(Vorjahr: 1.054)
rd. + 5,6 %
PMK-links
1.188
(Vorjahr: 1.247)
rd. - 4,7 %
PMAK
143
(Vorjahr: 129)
rd. + 10,8 %
PMK-sonstige
85
(Vorjahr: 111)
rd. - 23,4 %

Trotz des Rückgangs im Bereich der PMK-links fallen hier nach wie vor die
meisten Gewaltdelikte an.
Für den Phänomenbereich der PMK-rechts waren für das Jahr 2008 auch bei den
Gewalttaten die
höchsten Fallzahlen seit 2001 festzustellen.
Den jeweiligen Anteil der Phänomenbereiche an den Gewalttaten
veranschaulicht auch die folgende
Grafik:

Im Jahr 2008 wiesen 24.605 politisch motivierte Straftaten einen
extremistischen Hintergrund auf.
Damit ist die Zahl der politisch motivierten Straftaten, die sich gegen die
freiheitlich
demokratische Grundordnung gerichtet haben, um rd. 18,2 %angestiegen. Im
Einzelnen:

PMK-rechts
19.894
(Vorjahr: 17.176)
rd. + 15,8 %
PMK-links
3.124
(Vorjahr: 2.765)
rd. + 13,0 %
PMAK
1.312
(Vorjahr: 747)
rd. + 75,6 %
PMK-sonstige
275
(Vorjahr: 121)
rd. + 127,3 %

Der Anteil der extremistischen Kriminalität an allen politisch motivierten
Straftaten betrug 77,4 %
(Vorjahr: 72,9 %).
Bezogen auf extremistische Gewalttaten war zwar insgesamt erneut ein
Rückgang um 2,8 % zu
verzeichnen. Allerdings sind letztlich nur im Bereich der PMK- links die
extremistischen
Gewalttaten zurückgegangen:

PMK-rechts
1.042
(Vorjahr: 980)
rd. + 6,3 %
PMK-links
701
(Vorjahr: 833)
rd. - 15,8 %
PMAK
113
(Vorjahr: 108)
rd. + 4,6 %
PMK-sonstige
24
(Vorjahr: 13)
rd. + 84,6 %

Der prozentual stärkste Anstieg aller Fallzahlen im Bereich der politisch
motivierten
Ausländerkriminalität resultiert im Wesentlichen aus Ermittlungsverfahren
wegen Verstöße gegen das
Vereinsgesetz durch PKK-Anhänger.
Als häufigste Deliktsart fielen im Bereich der PMK-rechts die
Propagandadelikte mit einem Anteil
von 69,9 % aller rechten Straftaten auf, während bei den linken Straftaten
die Sachbeschädigungen
mit 48,6 % den größten Anteil hatten, gefolgt von Verstößen gegen das
Versammlungsgesetz, die rd.
16 % ausmachten.
Bei den Gewaltdelikten ist die Zunahme bei der Zahl der
Körperverletzungsdelikte in fast allen
Phänomenbereichen auffällig; eine Ausnahme bildet insoweit lediglich der
Bereich der PMK-sonstige.
Die Körperverletzungsdelikte haben auch nach wie vor in allen
Phänomenbereichen den größten Anteil
an den Gewalttaten:

PMK-rechts
85,8 %
Vorjahr: rd. 86,7 %
PMK-links
49,6 %
Vorjahr: rd. 45,6 %
PMAK
58,0 %
Vorjahr: rd. 55,0 %
PMK-sonstige
71,8 %
Vorjahr: rd. 70,5 %

Während im Bereich der PMK-rechts die Körperverletzungsdelikte eindeutig
den Schwerpunkt der
Gewalttaten bildeten, fielen im Bereich der PMK-links noch
Landfriedensbruch mit einem Anteil von
18 %, Widerstandsdelikte mit einem Anteil von 13,8 % sowie Brandstiftungen
mit einem Anteil von
11,7 % auf.
Insgesamt 1.937 Personen (Vorjahr: 1.941) sind durch politisch motivierte
Gewalttaten körperlich
verletzt worden. Davon waren unter Hinzurechnung der beiden Getöteten
60,3 % Opfer rechter Gewalt.
Die politisch rechts motivierten Straftaten mit fremdenfeindlichem
Hintergrund sind im Jahr 2008
gegenüber dem Vorjahr insgesamt um rd. 2,9 % (2008: 2.950; 2007: 2.866)
gestiegen, während die
politisch rechts motivierten Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund
um rd. 7 % (2008: 409;
2007: 440) zurückgegangen sind.
Bei den politisch rechts motivierten Straftaten mit antisemitischem
Hintergrund ist ein Rückgang
gegenüber dem Vorjahr sowohl beim gesamten Straftatenaufkommen um rd. 4,2 %
(2008: 1.496; 2007:
1.561) als auch bei den antisemitischen rechten Gewalttaten  (2008: 44;
2007: 61) zu verzeichnen.
Die Aufklärungsquote aller politisch motivierten Straftaten betrug rd.
40,5 % (Vorjahr: 44,7 %).
Die gesunkene Aufklärungsquote dürfte vor allem auf die Zunahme von
Sachbeschädigungen und
Propagandadelikten zurückzuführen sein: Bei diesen Deliktstypen werden
wegen der Art ihrer Begehung
regelmäßig geringere Aufklärungsquoten erzielt. Im Vergleich dazu ist bei
den Gewaltdelikten die
Aufklärungsquote mit 64,4 % (Vorjahr: 66,4 %) wesentlich höher.


(Quelle: Bundesinnenministerium)