Dienstag, 28. April 2009

SPD setzt auf sinnlose Polemik

Zeit Online









Wahlplakate

SPD setzt auf sinnlose Polemik





Von Ludwig Greven © ZEIT ONLINE 27.4.2009 - 16:34 Uhr





Die Sozialdemokraten legen im Wahlkampf mächtig los: Auf polemischen

Plakaten greifen sie die anderen Parteien an. Das ist gefährlich - für die

SPD und die politische Kultur

Gegen Finanzhaie:

die umstrittene Wahlplakatserie der SPD







Gegen Finanzhaie: die umstrittene Wahlplakatserie der SPD





© SPD Parteivorstand





Zugegeben: In Wahlkampagnen müssen Parteien zuspitzen. Lange Losungen und

ausführliche Argumenten taugen nichts, wenn sie etwa im Fernsehen oder im

Straßenbild an den Adressaten vorbeigehen. Deshalb bürstet SPD-Chef Franz

Müntefering derzeit auch mit Vorliebe und knapper Begründung regelmäßig die

Kanzlerin ab.





Das Ganze gilt erst recht, wenn es um die Wahl zum Europaparlament geht.

Denn die EU ist für die allermeisten Bürger eine leblose, ferne

Veranstaltung, die nach ihrem Gefühl mit ihrem eigenen Leben wenig zu tun

hat. Kein Wunder, dass sich Europa schlecht für tief greifende

parteipolitische Auseinandersetzungen eignet.










Die SPD hat sich daher in der ersten Stufe ihrer Kampagne zur Europawahl am

7. Juni eines einfachen Mittels bedient: Sie verunglimpft die politischen

Gegner. In einer Plakatserie, die ihre Werbeagentur Butter entworfen wird,

heißt es zum Beispiel: "Finanzhaie würden die FDP wählen." Daneben sieht

man in einer simplen Montage, die an den SPD-Urplakatkünstler Klaus Staeck

erinnert, einen grinsenden Haikopf auf einem menschlichen Torso mit weißem

Hemd und lila Krawatte. Ein grobes Zerrbild.









©





Ähnlich ergeht es dem Koalitionspartner ("Dumpinglöhne würden CDU wählen.")

und der linken Konkurrenz ("Heiße Luft würde Die Linke wählen."). Nur die

Grünen, der Nach-wie-vor-Wunschkoalitionspartner, werden verschont. Keines

der Plakate enthält eine Aussage von besonderem Tiefgang, und nur jeweils

klein gedruckt sind sie ergänzt mit eigenen programmatischen Erklärungen.





SPD-Wahlkampfmanager Kajo Wasserhövel ist dennoch "sehr zufrieden mit

diesem ungewöhnlichen Ansatz", wie er auf der SPD-Webseite

schreibt. Immerhin hat seine Partei damit ein

wenig Aufmerksamkeit erregt: Online-Medien berichten darüber, in Blogs

werden die Motive heftig

diskutiert und teils mit – ebenfalls etwas ärmlichen – Gegenentwürfen

versehen ("Wer Vollpfosten will, wählt SPD"); die angegriffenen Parteien

ärgern sich ein wenig.





Sicher, Aufmerksamkeit braucht die SPD in jedem Fall: In bundesweiten

Umfragen dümpelt sie weiter bei 24 bis 28 Prozent; bei der letzten Eurowahl

2004 erreichte sie mit 21,5 Prozent ihr schlechtestes bundesweites Ergebnis

überhaupt.





Ob es den Sozialdemokraten mit ihren aggressiven Plakaten allerdings

tatsächlich gelingt, wie Wasserhövel hofft, die Beteiligung an der

Europawahl zu steigern, die beim letzten Mal bei nur 43 Prozent lag, ist

zweifelhaft. Denn wie der Wahlforscher Henrik Schober im ZEIT-ONLINE-Blog

Wahlen nach Zahlen schrieb, ist solches "negative campaigning" unter

Experten sehr umstritten. Schließlich werden nicht die eigenen Stärken

herausgestellt, sondern nur die Schwächen der anderen Parteien. Das dürfte

dem eigenen Anhang gefallen und ihn gegebenenfalls an die Urnen treiben.

Unentschlossene und Anhänger der Gegner wird das jedoch kaum motivieren,

sich auf die Seite der SPD zu schlagen.





Dazu kommt, dass die meisten Wähler in diesen Krisenzeiten keinen Gefallen

an solchen Wahlkampf-Mätzchen finden werden. Oder, wie Andrea Wolf von der

Fortschungsgruppe Wahlen sagt: "Wenn es wirklich darauf ankommt, schreckt

das die Leute eher ab."





Aber noch aus einem anderen Grund könnte der Schuss nach hinten losgehen:

Die SPD wirbt, weil sie keine andere Chance sieht, Frank-Walter Steinmeier

zum Kanzler zu machen, um eine Ampelkoalition. Wie will sie aber ihren

Anhängern ein Bündnis mit einer Westerwelle-Partei vermitteln, die sie

jetzt als Hort der Finanzhaie karikiert? Und wie will sie erst recht die

liberale Hai-Partei bewegen, sich in das schmale Piranha-Becken der SPD zu

begeben, gemeinsam mit den grünen Fröschen? So schaffen die

Sozialdemokraten eines billigen Wahlkampfgags wegen neue Gräben.